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Channel: Ukraine – Der BRD-Schwindel
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Sehnsucht nach Revolution: Wo sind die deutschen Maidan-Jubler heute?

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von Wladislaw Sankin

Der Maidan-Mythos lebt. Einst bejubelte der deutsche Mainstream lauthals die Gewalt und das Chaos auf dem Maidan. Skeptiker galten als Opfer russischer Propaganda. Bis heute wollen sie nicht zugeben: Für sie war der Platz bloß ein deutscher Sehnsuchtsort.

Faszination Maidan

Lassen wir mal die Geschichten über die Soros-Machenschaften und eine Steuerung des Maidan über die US-amerikanische Botschaft beiseite. Auch über die planvolle Eskalation der Gewalt durch getarnte Provokateure wollen wir jetzt nicht reden. Wichtig ist nur: Die Leute waren da. Gut ausgestattet mit europäischer Symbolik und fotogen. Sie forderten den Rücktritt der Regierung. Und das faszinierte.

Auch die Schläger, voller Entschlossenheit, in bunten Helmen und mit Balaklawa-Masken in Hundertschaften gut organisiert, waren eindrucksvoll. Das alles ließ ein deutsches Journalistenherz höher schlagen. Sie ahnten: Eine Revolution bahnt sich an. Egal unter welchem Vorzeichen, Hauptsache mit spektakulären Bildern, die die Kameras einfangen konnten: Eine Menge, europäische Fahnen schwenkend, eine Bühne, auf der auch Deutsche wie Rebecca Harms willkommen sind.

Auch später, als es auf dem Platz rauchte, als Polizisten angezündet wurden, Gebäude brannten und Straßenkämpfe tobten, ließ die deutsche Sympathie zum Maidan nicht nach. Auch als der deutsche Außenminister als Unterhändler den gedemütigten „Diktator“ Janukowytsch ein Abkommen über vorgezogene Wahlen unterjubelte und die Menge dieses am nächsten Tage kippte, blieben die deutschen Journalisten nachsichtig. Heute jährt sich der Tag der Schande der deutschen Diplomatie zum dritten Mal.

Als Unterhändler unterschreibt der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier das Abkommen zur Regelung der politischen Krise am 21. Februar 2014. Auf dem Hintergrund sind die ukrainischen Politiker Witali Klitschko und Oleg Tjagnibock zu sehen. Am Tag darauf war das Abkommen Altpapier.

Darauffolgende Ereignisse auf der Krim verfestigten deutsche bürgerliche Journalisten nur in ihrem dogmatischen Maidan-Glauben. Und es geht hier nicht nur darum, dass sie pro NATO und pro EU schreiben, weil sie andernfalls Bewerbungen für die Arbeitsagentur schreiben müssten. Sie waren wirklich vom Maidan angetan und auch deshalb verwandelten sie ihre Medien zum Sprachrohr ukrainischer Maidanisten. Diese traten auf als Revoluzzer und Opfer gleichzeitig. Ein kleines Stück Heldenromantik in der postheroischen Ära: Wer könnte da schon widerstehen?

Plötzlich war alles Ukrainische in Mode, Talkrunden hofierten ukrainischstämmige Gäste, ukrainische Schriftsteller durften ihre Beiträge in deutschen Zeitungen veröffentlichen, die Bücherregale füllten sich schnell mit Maidan-Apologetik. Die Fotos in den Rücken geschossener Aufständischer schmückten altarartig die Räume sogar deutsch-russischer(!) Vereine wie des Kölner Lew-Kopelew-Forums.

Was war mit den Deutschen los? Ja, die politische Unterstützung des Maidan aus dem Westen war überwältigend. Aus jedem westlichen Land nisteten sich zahlreiche Pro-Maidan-Schreiber ein. Und in jedem Land gab es eigene Gründe für diese Parteilichkeit. Für Polen eine vermeintliche historische Rechnung mit den Russen; die Nordamerikaner standen stets unter starkem Einfluss der westukrainischen Diaspora, die Briten spielten nach wie vor ihr Great Game. Aber warum nahmen sich ausgerechnet die Deutschen den Maidan so zu Herzen?

An der Revolution teilhaben

In jedem ordentlichen Land gab es eine Revolution. Es gab eine Englische, Französische, Amerikanische, Russische. Die russische Geschichte, die in der Schule gelehrt wird, zeigt, wie wichtig Revolution auch für das deutsche Geschichtsbewusstsein ist. Die russische Geschichte in ihrer Gesamtheit kommt in den deutschen Geschichtsbüchern kaum wirklich vor, dafür aber die Revolution von 1917. Mit Lenin können deutsche Schüler dann schon etwas anfangen.

Da sind die Wucht und die Weltgeltung, Schrecken und Faszination drin. Die Deutschen Revolutionen 1848 und 1918 verblassen dagegen. Sie gelten höchstens als versuchte, die schnell von der Reaktion niedergewalzt wurden. Waren die Deutschen in den 1920er Jahren deshalb so empfänglich gegenüber den Sowjets? Die sowjetische Botschaft Unter den Linden war damals eine Drehscheibe für zahlreiche geheimdienstliche Aktivitäten der Sowjets, wie heute die US-amerikanische in Kiew. Und viele Deutsche hielten es für eine Ehre, da mitzumachen.

Man reiht sich ein. Viele ehemalige Linke, aber auch Konservative, heute alle in gleichem Maße großbürgerlich, waren ebenso wie ihr journalistischer Nachwuchs bereits bei der so genannten Orangenen Revolution 2004 in Kiew schnell zu Stelle. Schon damals meinte man, Zeuge von etwas ganz Großem zu werden. Obwohl daraus nichts Anderes als fragwürdige Neuwahlen wurden und sich die gesellschaftliche Ordnung eines oligarchischen Kapitalismus nur verfestigte.

Richtig auf ihre Kosten kamen sie jedoch bei der maidanischen „Revolution der Würde“, wie sie von ihren Chronisten im Nachhinein genannt wurde. Die Barrikaden, die Rauchsäulen und fanatische Protestierer betäubten die deutschen Beobachter. „Die Ukraine braucht unsere Unterstützung“, hieß es überall. Die deutsche Kanzlerin Merkel empfing sogar die vermeintliche ukrainische Jeanne d’Arc, Julia Timoschenko. Endlich durfte man an einer echten Revolution teilhaben! Die deutsche Sehnsucht nach einer solchen war damit offenbar vorerst befriedigt.

Russische Erfahrung mit Revolution lassen die Deutschen nicht gelten

Trotz all der überwältigenden medialen Unterstützung des Maidans war sowohl 2014 als auch jetzt jeweils ein Drittel der Bevölkerung in der Ukraine Maidan-kritisch. In allen Umfragen bezeichneten sie den Sturz des Präsidenten Janukowitsch als Staatsstreich. Sie sahen ein Potenzial für einen Bürgerkrieg. Russischen Journalisten machten darauf aufmerksam und beleuchteten die dunkle Seite des Maidans.

Dafür hatten sie einen guten Grund. Revolutionäre Aufwallungen kennt Russland zur Genüge. Fast die gesamte zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts war vom Terror revolutionärer Untergrundzellen geprägt. Die liberale Öffentlichkeit sympathisierte mit den Bombenwerfern. Anfang des 20. Jahrhunderts eskalierte die Gewalt, es kam zu der versuchten Revolution zwischen 1905 und 1907. Der Film-Klassiker „Panzerkreuzer Potemkin“ liefert ein künstlerisches Zeugnis ebenjener Zeit.

Der Kreuzer „Aurora“ war über Jahrzehnte das Symbol für die sozialistische Revolution im Russland des Oktobers 1917. Auch heute unter kapitalistischen Bedingungen ist das Schiff nicht vom Anker. Aber mit welcher vollendeten Revolution können sich die Deutschen identifizieren?

Im Jahr 1917 war es dann aber so weit: Die Revolution kam in mehreren Etappen. Zunächst dankte der Zar auf Druck der Vertreter der Oligarchie ab: Danach stürzte der radikale Flügel der Sozialdemokratischen Partei Russlands die provisorische Regierung. Der blutige Bürgerkrieg begann und forderte allein in den Jahren von 1918 bis 1920 mehrere Millionen Opfer. Bis zu zwei Millionen Menschen verließen das Land, Millionen hungerten.

Mit der Befriedung in den Jahren 1921 bis 1922 verschwand der Terror nicht. Aus heutiger Sicht war auch der Terror der Stalinzeit eine Art Fortsetzung des Bürgerkrieges. Zu viele hatten noch offene Rechnungen zu begleichen, auch die Flügel der politischen Eliten innerhalb des Einparteiensystems bekriegten sich mittels Repressalien. Die verheerende Bilanz dieser Kämpfe haben alle postsowjetischen Staaten bis heute noch zu tragen.

Dennoch entfaltete das revolutionäre Land enorme Ausstrahlungskraft und mit seinem Versuch, die kapitalistische Produktionsweise zu kippen und neues menschliches Miteinander zu installieren, prägte es die ganze Welt. Auch den Westen. Dort wurde der dahinterstehende Gedanke zur guten Vorlage für Revolutionsromantiker. Zwar höhlten sie den eigentlichen Sinn einer Revolution immer mehr aus, aber immerhin wurden Straßenproteste zu einer Form, zumindest ein Stück Revolution ins eigene Dasein mitzunehmen. Und wenn diese in einem anderen Land stattfinden, kann man sie sogar aus sicherer Entfernung unterstützen.

So erging es auch den deutschen Berichterstattern in der Causa Maidan. Für die russischen hingegen war und ist der Maidan die Neufassung des Bürgerkrieges von damals. Es ist kein Zufall, dass die antisowjetische liberale Opposition im Staate und das russische politische Exil den Maidan so inbrünstig unterstützten. Die staatstragenden Kräfte ihrerseits können den Maidan zwar als eine starke, leidenschaftliche Kraft anerkennen und für ihn sogar gute Gründe finden. Dennoch halten sie ihn für äußerst gefährlich und destruktiv.

Deshalb sind die Russen aber heutzutage immer noch mehrheitlich maidanskeptisch. Das hat mit keiner wie auch immer gearteten Propaganda zu tun: Die Abneigung gegen den Maidan sitzt tief in den Knochen.

Jetzt nur noch wegschauen

Kritische Beobachter aus Kiew stellen heute fest: Die Ukrainer als die sozusagen „anderen Russen“ veranstalten ihre vermeintliche Revolution mit der gleichen naiven Leidenschaft wie dies sonst die Russen tun würden. Die Urkraft des Maidan ist der russische Hang zur Anarchie. Auf dem Territorium der heutigen Ukraine befindet sich das südrussische Wilde Feld – ein Steppengebiet, das jeder politischen und militärischen Kraft seit jeher als Durchgangskorridor zur Verfügung stand.

Die Deutschen, die mit ihrem Ordnungssinn noch keine vollendete Revolution zustandegebracht haben, wollten sich in dieser archaischen Energie des Wildes Feldes sonnen. Nach nur drei Jahren strahlt diese Sonne selbst für ihre Unterstützer keine Wärme mehr aus.

Dass diese Revolution nicht vollendet werden konnte, weil sie – zunächst einmal – gar keine war, wollen die deutschen Maidan-Jubelperser nach wie vor nicht wahrhaben. Im Getöse um den Maidan halten sie aber mittlerweile vorsichtshalber still. Das ist kein Zeichen der Ernüchterung, dafür sind sie nicht selbstkritisch genug. Sie können nur wegschauen von jener Tragifarce, die sich in Kiew auf einer Bühne abspielt, die sie miterrichtet haben. Die Frage ist: Wie lange noch?

 


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